Donnerstag, 31. Januar 2013

Empörung: Kollegen gegen die Augsburger Allgemeine ...

Warum die "Augsburger Allgemeine" die Nutzerdaten von Pöblern herausgeben muss. Kein Verstoss gegen die Pressefreiheit?



Die Zeitschrift W&V sieht die angebliche polizeiliche Durchuchung der Augsburger Allgemeine in einem ganz anderen Licht. Was sagt die Rechtsexpetin Nina Diercks?

Nervosität im Netz: Staatsanwälte haben die "Augsburger Allgemeine" gezwungen, die Daten eines besonders aggressiven Online-Kommentators herauszugeben. Im schlimmsten Fall droht dem Mann ein Strafverfahren. Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit im Netz? W&V Online hat dazu Nina Diercks befragt. Die Social-Media-Juristin und Partnerin der Medien-Kanzlei Dirks & Diercks verteidigt das Vorgehen. Im Fall einer Beleidigung gehen Quellenschutz und Meinungsfreiheit nicht vor, sondern das Recht des Users. 

W&V: Wie sehen Sie den Fall? Hat die 'Augsburger Allgemeine' richtig reagiert? Hätte sie gleich die Nutzerdaten über den Kommentator herausgeben müssen?

Diercks: Wenn es sich bei dem Kommentar um eine beleidigende oder sonst persönlichkeitsverletzende Äußerung handelt, muss die "Augsburger Allgemeine" die Daten im Ergebnis herausgeben, dagegen kann sie sich mit Erfolg kaum wehren.

Gilt hier denn nicht der Quellenschutz für den Kommentator?

Der Quellenschutz greift meiner Auffassung nach in diesem Fall nicht. Der Kommentator ist ja schließlich nicht Mitglied der Redaktion. Er hat ihr auch als anonyme Quelle keinerlei Informationen zugespielt, sondern – ganz unabhängig von der Berichterstattung - stattdessen direkt über das Forum einen Beitrag geschrieben.  Als anonyme Quelle hätte er den Schutz durch das Gesetz, dann wäre das Vorgehen der Staatsanwaltschaft höchst problematisch. So aber nicht. Und folgerichtig wurde auch ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt  - was im Übrigen dafür spricht, dass der zuständige Richter in dem Kommentar eine Beleidigung erkannt hat. Der Beleidigte hat daneben im Übrigen auch einen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Forenbetreiber auf Herausgabe der Nutzerdaten.

Wie sehen Sie das – was muss ein Forenbetreiber oder in diesem Fall eine Zeitung, die Kommentare zulässt, tun, wenn sich beleidigende Inhalte in die Kommentare hineinschmuggeln?

Ein Forenbetreiber sollte umgehend Beleidigungen oder sonstige rechtsverletzende Äußerungen von der Seite herunternehmen – schließlich haftet er im Rahmen der sogenannten Störerhaftung selbst für Äußerungen Dritter. Zwar denken viele Betreiber, dass jedwede Kommentare durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien, aber das ist so nicht richtig. Die Meinungsfreiheit ist natürlich weit gefasst und auch  sehr herbe Kritik ist hier immer noch erlaubt. Aber sobald es ehrverletzend wird, geschäftsschädigend oder jemand grob herabgesetzt wird, hat der Beleidigte das Recht auf seiner Seite – denn Rechtsverletzungen wie Beleidigungen sind von der Meinungsfreiheit eben nicht geschützt.

Und was ist mit dem Datenschutz? Haben die Kommentatoren nicht ein Recht darauf?

Nein, denn das Recht des Verletzten wird in einem solchen Fall vorgehen. Man muss sich bewusst machen, dass einerseits der beleidigende Kommentator schon selbst über das Recht getreten ist. Und andererseits wissen, dass der Beleidigte ohne die Auskunft auch relativ hilflos dastehen würde – er könnte zwar Unterlassung gegenüber dem Forenbetreiber verlangen, aber der Kommentator könnte natürlich überall woanders seine Beleidigungen loswerden.

Was würden Sie also einem Forenbetreiber raten zu tun?

Grundsätzlich würde ich jedem Forenbetreiber oder jeder Publikation dazu raten, bei der Anmeldung auf richtige Daten wie Name und Adresse zu bestehen. Denn im Zweifel haftet der Forenbetreiber für die Äußerungen Dritter – wie bereits gesagt - selbst. Insoweit ist die Erhebung von möglichst richtigen Daten der User im ganz eigenen Interesse. Ich denke, exakt diese Haftung ist auch der Grund dafür, dass man sich bei der 'Augsburger Allgemeinen' mit (echtem) Namen anmelden muss. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein User unter Realnamen nach außen auftreten muss, in die Öffentlichkeit kann der User dann mit einem Pseudonym treten.

Also müssten sie die Daten des Urhebers vorliegen haben. Aber mal umgekehrt gefragt: Was kann denn jemand tun, der sich verunglimpft fühlt?

Wenn er mit einer freundlichen Anfrage beim Forenbetreiber nicht durchkommt, dann würde ich ihm raten, sich einen Anwalt zu suchen. Denn wie man Auskunft über die Nutzerdaten erlangt, ist derzeit noch nicht endgültig geklärt: Das Amtsgericht München verneint den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch und weist den Weg über die Staatsanwaltschaft an. Meines Erachtens ist das in der Sache falsch und bedeutet dazu eine erhebliche Hürde für den Verletzten. Das Oberlandesgericht Dresden hingegen hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass einem Beleidigten der allgemeine zivilrechtliche Auskunftsanspruch zustehen muss.  Er kann seinen Auskunftsanspruch gerichtlich durchsetzen und dann gegenüber dem Verletzer Unterlassung und unter Umständen auch Schadensersatz verlangen. Wie oben bereits erwähnt, kann der Unterlassungsanspruch auch gegenüber dem Forenbetreiber durchgesetzt werden und in besonderen Fällen diesem gegenüber auch Schadensersatz verlangt werden.

Glauben Sie, dass Klagen in diese Richtung zunehmen werden?

Ganz sicher. Dem Geschädigten wird immer mehr bewusst, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Er weiß: Ich kann jederzeit bei den Gerichten um Hilfe ersuchen. Ein (etwas hinkender) Vergleich mit der Yellow Press ist hier vielleicht ganz anschaulich:  Die Yellows sind in ihrer Berichterstattung im Laufe der Jahre immer tiefer in die Privat- und Intimsphären eingedrungen. Hiergegen haben sich die Prominenten mit Klagen gewehrt. Inzwischen gibt es eine umfängliche Presse-Rechtsprechung, die die Rechte der Presse einerseits und die der abgebildeten Personen andererseits relativ klar definiert. Die Grenzen sind sozusagen abgesteckt.

Aber ein gewisser Kanon für den korrekten Umgang im Web  - ist das nicht noch ein langer Weg?

Jein. Es gibt schließlich kein neues Recht. Also ist klar, dass beispielsweise Beleidigungen nicht nur nicht in Ordnung, sondern sogar strafbar sind - und dass natürlich auch im Internet! Dennoch tauchen in neuen Zusammenhängen natürlich immer wieder auch neue Fragen auf. So wie hier vorliegend, ob und auf welcher Grundlage Forenbetreiber die Nutzerdaten von Personen herausgeben müssen. Wie bereits gesagt, fehlt es hier noch an einer höchstrichterlichen Entscheidung vom BGH. Aber ich bin mir sicher, diese wird, wie so viele andere, auch noch kommen. Und vermutlich wird der (zivilrechtliche) Auskunftsanspruch auf Nutzerdaten gegenüber Forenbetreibern in Fällen von Beleidigungen oder sonstigen Persönlichkeitsverletzungen in ein paar Jahren Gang und Gäbe sein. Es wird also allenfalls noch kurz der Hausjurist auf den Kommentar gucken und im Fall der Persönlichkeitsrechtsverletzung sagen: "Okay, gebt die Daten raus".
 

Die  Augsburger Allgemeine hat allerdings selbst einen Passus in seiner Online-Forums-Nutzung für die User, der besagt, dass man die Daten an die Justiz rausgibt:

"Im Falle strafrechtlich relevanten Inhalts von Beiträgen behält sich die Betreiberin neben den Sanktionsmöglichkeiten nach Ziff. 6.4. die Erstattung einer strafrechtlichen Anzeige gegen den Nutzer vor. Zum Zwecke der Strafverfolgung werden in diesem Fall auch die entsprechenden Daten (Datum, Uhrzeit, IP-Adresse etc.) an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben ..."






Oberstaatsanwalt Nickolai zum Durchsuchungs-Bericht bei der Augsburger Allgemeine: Unverschämtheit, weil keine Durchsuchung! Medien sind unverhältnismäßig .....


Was sagt nun der Augsburger Ober-Staatsanwalt Matthias Nickolai zur Beschlagnahmung der Daten des Teilnehmers "Berndi" im Internet-Diskussions-Forum bei der Augsburger Allgemeine. "Berndi", von dem man den echten Namen bisher noch nicht erfahren hat, soll mit dem Vorwurf der "Rechtsbeugung" gegenüber dem Augsburger Ordnungsreferenten eine Straftat begangen haben.

Nicolia staunte über das riesige Echo zu der Aktion bei der Augsburger Allgemeine, die von "Durchsuchung" ihres Hauses geschrieben hatte. Wie viele andere Medien auch. 

Nickolai: "Die Aufregung in der Presse ist unverhältnismäßig, denn derartige Vorgänge seien der Alltag."

Augsburgs Oberstaatsanwalt weiter: "Dies ist ein ganz normaler Vorgang, wie er „zig-fach“ bei mir vorkommt." 

Dass in den Medien von einer angeblichen Durchsuchung der Redaktions-Räume zu lesen war und eine Gefahr für die Pressefreiheit erkannt wurde, hält er für eine „Unverschämtheit“. 

"Eine Durchsuchung der Redaktionsräume habe zu keinem Zeitpunkt gedroht. Denn die Polizei sei zur Entgegennahme der User-Daten mit nur einem einzigen Beamten vor Ort gewesen. Dieser hätte das allein gar nicht durchführen können", so Nickolai.


Die Frage, welches der nächste Schritt der Staatsanwaltschaft gewesen wäre, wenn die Zeitung die Daten nicht herausgegeben hätte, will Nickolai nicht genau beantworten. Das sei eine Einzelfallentscheidung. 



In einer Presserklärung weist Nickolai darauf hin, „dass ein Chatroom im Internet grundsätzlich keinen rechtsfreien Raum darstellt“. 


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Volker Ullrich:
Gelassenheit üben

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Sollte diese Sache doch noch heißer werden,
empfehlen wir der Augsburger CSU
die Feuerwehrkontakte
von Johannes Hintersberger
zum Löschen .....
Johannes Hintersberger mit Augsburger Feuerwehr-Boss Frank Habermaier und Innenminister Joachim Hermann


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"Weil es verleumderisch sei, den Ordnungsreferenten der Rechtsbeugung zu bezichtigen"


Eigentlich hatten wir schon längst ein Interiew der Augsburger Allgemeine mit dem OrdnungsreferenenVolker Ullrich erwartet. Aber: Leider noch Schweigen im Walde. Wrum? Wir bringen stattdessen ein Inteview der Berliner Tageszetiung taz mit dem Augsburger CSU-Mann Ullrich, der nun in Blitzeseile neben Claudia Roth wohl zum bekanteste Augsburger Poltiker in ganz Deutschland aufgestiegen ist. Damit wird er kein unbekanner Hinterbänkler im Deutschen Bundestag sein wie die anderen Augsbuger Poltiker ...



taz.de: Herr Ullrich, wurden Sie im Internet nicht schon einmal schlimmer beleidigt als der Vorwurf der „Rechtsbeugung?“
Volker Ullrich: Ich wurde schon oft beleidigt, auch unter der Gürtellinie. Das muss man als Politiker und Ordnungsreferent aber aushalten. Mich hat aber der Vorwurf der Rechtsbeugung gestört, weil es um meine Integrität in der Funktion als Ordnungsreferent, Beamter und Amtsträger ging. Die Rechtsbeugung ist ein Verbrechen, Mindeststrafe ein Jahr, das muss man sich nicht nachsagen lassen.
Es gibt eine gewisse Grenze zwischen Meinungsfreiheit und anonymen Verleumdungen. 

Was genau stand in dem Kommentar außer der Vorwurf der „Rechtsbeugung“? 

„Dieser Ullrich verbietet sogar erwachsenen Männern sein Feierabend-Bier ab 20.00 Uhr, indem er geltendes Recht beugt und Betreiber massiv bedroht.“ 

Spielt das auf Ihr verfolgtes Ziel des Verbots der Straßenprostitution in Augsburg an?

Das spielt auch auf die Tankstellensache an. Ich habe den politischen Vorschlag gemacht, dass man nachts an Tankstellen keinen Alkohol mehr verkaufen sollte. 

War es von Ihnen juristisch maßvoll, dafür zu sorgen, dass die Augsburger Allgemeine die Daten des Verfassers des Kommentars rausgeben musste?
Über die juristische Dimension des Falls lässt sich natürlich streiten. Auch darüber, ob ich das nicht auch gelassener hätte ertragen sollen. Juristisch gesehen besteht möglicherweise eine Verpflichtung der Augsburger Allgemeine die Daten herauszugeben. Mir ging es bei der Sache darum, dass ich in Erfahrung bringen wollte, wer das behauptet. Das Amtsgericht Augsburg hat einen Beschluss gefasst und aufgrund dessen hat die Augsburger Allgemeine die Daten herausgegeben

Aber sorgten nicht Sie dafür, dass das Amtsgericht einen Durchsuchungsbefehl ausstellt?

Nein. Mein Anwalt hat sich an die Augsburger Allgemeine gewandt und gesagt, dass wir gerne die Nutzerdaten hätten, weil es verleumderisch sei, den Ordnungsreferenten der Rechtsbeugung zu bezichtigen. Wir haben lediglich Strafanzeige gestellt. Ich selbst habe es aus der Augsburger Allgemeinen erfahren, dass einem Polizeibeamten nach Beschluss des Amtsgerichts die Nutzerdaten ausgehändigt wurden. 

Aber haben Sie nicht schon zweimal vorher versucht, an die Daten zu kommen?
Nein. Einmal vorher ging es auch um eine Sache unter der Gürtellinie und die Augsburger Allgemeine sagte, sie lösche es. So war das dann auch in Ordnung.

Sie sagten, dass Sie den Verfasser des Kommentars nicht anzeigen wollen, wenn er sich entschuldigt. Was ist, wenn er sich nicht bei Ihnen entschuldigt?
Ich hoffe auf diese Entschuldigung. Wenn er sich nicht entschuldigt will ich das letzten Endes nicht an die große Glocke hängen. Mir ist die Debatte, wie respektvoll man im politischen Diskurs miteinander umgeht, auch und gerade in anonymen Foren, viel wichtiger als diese eine persönliche Entschuldigung.

Steht Ihnen dieser Fall im Wege, dieses Jahr für die CSU für den Bundestag zu kandidieren?

Nein. Natürlich habe ich im Internet starke Kritik einstecken müssen. Das gehört dazu und diese Kritik nehme ich ernst. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass ich zahlreiche positive Rückmeldungen und Zusprüche mit dem Tenor bekomme, dass es gut sei, wenn endlich mal jemand die Debatte angestoßen hat, ob man sich anonyme Anschuldigungen im Netz immer bis zur letzten Konsequenz gefallen lassen muss.

Achtung: In der Neuen Szene Augsburg, Ausgabe Februar 2013 ist ein Gespräch mit Volker Ullrich zu lesen.

Bühne frei!

Nachdem diese Künstler-Bühne aus der ehemaligen Fußgängerzone Maximilianstraße verbannt wurde, hat sie jetzt einen Superplatz erhalten. Dire...